Der Mehr.Wert im Fremden nebenan

Geben alle ihren Teil, hat das Zusammenleben positive Auswirkungen auf die Einzelperson und gleichsam auf die Gruppe, in der sie sich bewegt. Die Ökologie lebt es als Heimat der Menschen in ihrem Wandel selbstverständlich. In den Zeitaltern vor dem Anthropozän regulierte sie sich selbst. Mit dem Wandel des Klimas und Artensterben sind die Bewohnerinnen und Bewohner nun unmittelbar konfrontiert. Renaturierungsmaßnahmen fruchten bereits, ihre Wirkung erst viele Jahre später sichtbar. Ähnlich verhält es sich im kleineren System der Nachbarschaft. 

Die Nachbarschaft umgibt jeden Menschen, ob er will oder nicht, er ist Teil eines sozioökologischen, wie sozioökonomischen Systems. Dieses Beziehungssystem zeigt konkret, elementar und unmittelbar die wechselwirkenden Zusammenhänge zwischen sozialer und räumlicher Organisation von Gesellschaft.

Vom individuellen Menschen zum Mitmenschen

Der Mensch hat das kollektive Verhalten ursprünglich verinnerlicht, es ist Teil seiner sozialen Identität. Durch das Kennenlernen, durch die Inszenierung gemeinsamer Werte, die Formulierung von Konflikten und durch soziokulturelle Selbstentwürfe, durch gegenseitige Fürsorge und Forderungen. So werden aus Fremden, aus Nachbarn Mitmenschen. 

Der historische Blick zeigt, dass Nachbarschaft im kleinen sozialen Raum bis zum kosmischen Raum gelebt wird. Dies geschieht oftmals nicht friktionsfrei. Die Regulierung der Teilhabe, der Nähe und Distanz, die Offenheit zur Toleranz und dem Eigensinn bestimmen den Alltag. Jegliche Nachbarschaft, auch die der Geografie wird nur gelingen, wenn Beziehungen im gegenseitigen Einverständnis und vorurteilsfrei gepflegt werden. 

Wachstum und Fortschritt

Durch die Globalisierung, Migration, Sozioökonomie sind Menschen ständig in Bewegung und somit auch ihr Wohnort. Dadurch konfrontiert sie der Lebenswandel mit den Verlusten ihrer sozialen Gruppe, der Nachbarschaft. Deren Wert geht verloren, denn die Anonymität täuscht Freiheit vor. Es gibt kein Bedürfnis und keine Notwendigkeit, sich mit dem Gegenüber auseinanderzusetzen. In der Stadtentwicklung der Urbanität wurde dies in der Wende zum Fortschritt sichtbar. In dörflicheren Strukturen ist Nachbarschaftspflege noch häufiger anzutreffen. 

Wert der gelebten Nachbarschaft

Nachbarschaft zu leben, bedeutet Raum für Alltägliches zu haben, Ressourcen zu bündeln, wertschöpferisch tätig zu sein und Interventionsebenen zu erkunden. In dieser Beziehungslandschaft handeln die Menschen zwischen Gestaltungsvisionen, Alltagsräumen, Konflikten und professioneller Intervention aus. Sie ist etwas Situatives, Kontextabhängiges und Prozessuales, das auf der Basis eines gemeinsam geteilten Raums durch menschliches Handeln im Alltag entsteht. Nähe und Distanz, Annäherung und Abgrenzung, Ideale des Mit- und Nebeneinanders werden kontinuierlich verhandelt, darin liegt großes Potenzial verborgen. 

Die Auswirkungen des nachbarschaftlichen Lebens und der darin beinhaltenden Fürsorge werden erst in der Zukunft in nachfolgender Gesellschaft, wie auf dem Planeten sichtbar. Es lohnt sich, den fremden Menschen von nebenan kennenzulernen!

Die Initiative „Nachbarschaft leben“ gibt genau diesen Themen Raum zur Entwicklung und passt sie an regionale Prozesse an. In der urbanen Nachbarschaft mit Linz und Wien (hier fand der Tag der Nachbarschaft am 24. Mai statt) etabliert sie den Tag der Nachbarschaften und ermuntert so zur Fürsorge des Gemeinwohls. 

Text: Konstanze Müller