Gibt es Richtgrößen ab wann sich ein Verein in finanzieller Schieflage befindet bzw. Maßnahmen setzen sollte – Stichwort Insolvenzverschleppung?
Jeder Verein, egal ob groß oder klein und egal wie hoch Umsatz/Gewinn sind, kann in finanzielle Schieflage geraten. Wenn der Verein zahlungsunfähig oder überschuldet ist, besteht für den Vereinsvorstand die Pflicht, ein Insolvenzverfahren zu beantragen. Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn fällige Schulden nicht mehr innerhalb angemessener Frist beglichen werden können.
Wenn die Insolvenz verschleppt wird, kann dies zivilrechtliche und mitunter auch strafrechtliche Konsequenzen für die Vereinsorgane haben. Es gelten die Vorschriften des § 69 der Insolvenzordnung (BGBl. I Nr. 147/2021) insbesondere des Abs 5 (Haftung für den Quotenschaden, der sich aus der Insolvenzverschleppung ergibt). Der Insolvenzantrag ist ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber 60 Tage nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder buchmäßiger Überschuldung zu stellen.
Sollte eine Sanierung scheitern, welche Möglichkeiten gibt es und was sind die jeweiligen Vor- und Nachteile?
Im Insolvenzrecht wird zwischen Sanierungsverfahren und Konkursverfahren unterschieden. Bei einem Sanierungsverfahren wird der Fortbestand des Vereins angestrebt. Hier muss der Verein mindestens 20 % seiner Schulden binnen 2 Jahren bezahlen.
Wird dieser sogenannte „Sanierungsplanantrag“ von den Gläubigern oder vom Gericht nicht akzeptiert, so wechselt man ins Konkursverfahren, wo alle Vermögensgegenstände des Vereins veräußert werden. Nach Abwicklung des Konkurses wird der Verein dann aufgelöst.
Ein Vorteil kann für das Leitungsorgan nur vorliegen, wenn der Insolvenzantrag rechtzeitig gestellt wird und keine Gläubiger bevorteilt werden. Kann eine Gläubigerbenachteiligung nachgewiesen werden, kann das Leitungsorgan zur Haftung herangezogen werden (Nachteil).
Gibt es im Fall der Fälle Verpflichtungen für die Vereinsorgane?
Wenn sich eine finanzielle Schieflage abzeichnet, ist es wichtig, rechtzeitig professionellen Beistand (Steuerberater/Rechtsanwalt) aufzusuchen, um die Handlungsmöglichkeiten zu besprechen und eventuell eine außergerichtliche Sanierung anzugehen.
Ab Eintritt von Zahlungsunfähigkeit/Überschuldung besteht eine 60-Tagesfrist zur Beantragung des Insolvenzverfahrens bei Gericht. Diese Frist besteht aber nur, wenn noch ernsthafte Sanierungsbemühungen stattfinden. Man sollte die Frist daher nicht voll ausreizen und unverzüglich handeln und ein Insolvenzverfahren beantragen, wenn sich keine außergerichtliche Sanierung bewerkstelligen lässt.
Die rechtzeitige Antragstellung auf Eröffnung des Insolvenzverfahren durch die organschaftlichen Vertreter (= Leitungsorgan) ist entscheidend.
Wer haftet, wenn ein Verein in Schieflage gerät?
Für die Schulden des Vereins haftet der Verein als Rechtsperson selbst. Gemäß § 23 Vereinsgesetz haftet grundsätzlich der Verein für Verbindlichkeiten mit seinem Vermögen.
Wenn ein Fehlverhalten der Vereinsorgane vorhanden ist (Misswirtschaft, Bevorzugung von Gläubigern, Verschleppung der Insolvenz etc.) haften auch die Vereinsorgane persönlich, insbesondere für den Schaden der Gläubiger. Organwalter und Vereinsmitglieder haften nur dann persönlich, wenn sich dies aus anderen gesetzlichen Vorschriften oder auf Grund persönlicher rechtsgeschäftlicher Verpflichtungen ergibt. Andere gesetzliche Vorschriften ergeben sich aus den Haftungsbestimmungen der Abgabenvorschriften (Finanzamt, Krankenkasse, Gemeinde).
Kann es sein, dass auch Mitglieder haften?
Im Regelfall nein, weil nur die organschaftlichen Vertreter zur Haftung herangezogen werden (= Leitungsorgan). „Normale“ Mitglieder haften grundsätzlich nicht, außer es liegen spezielle Gründe (z.B. Haftungserklärung des Mitglieds für Schulden; oder deliktische Schadenszufügung) vor. Die Vereinsorgane, denen ein rechtlicher Vorwurf zu machen ist, müssen für ihr Fehlverhalten einstehen und sind schadenersatzpflichtig.
Rein theoretisch können Vereinsmitglieder auch haften, wenn sie das Leitungsorgan am rechtzeitigen Einbringen des Insolvenzantrages hindern. In der Praxis kommt es auch vor, dass das Leitungsorgan nur nach außen hin vorgeschoben wird und im Hintergrund jemand anderer „das Sagen“ hat (= faktischer Geschäftsführer). In diesen Fällen haften auch diese faktischen Geschäftsführer.
Mit welchen Strafen bzw. Konsequenzen muss man rechnen?
Die Konsequenzen für einen nicht rechtzeitig gestellten Insolvenzantrag sind für das Leitungsorgan, das diese einerseits für die nicht rechtzeitig bezahlten Abgaben (Steuern, Krankenkassenbeiträge) und andererseits für den Quotenschaden zur Haftung herangezogen werden.
„Insolvenzverschleppung“ an sich ist zwar kein strafrechtliches Delikt, aber es gibt andere Strafdelikte bei finanziellen Schieflagen (Betrügerische Krida, Gläubigerbegünstigung, grob fahrlässige Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen), die leider sehr schnell erfüllt sein können. Und mit dem Strafrecht ist nicht zu spaßen.
Auch zivilrechtliche Haftungen (siehe oben) können schlagend werden und die Vereinsorgane vor große finanzielle Herausforderungen stellen. Hier muss aber immer dem Vereinsorgan ein persönliches Fehlverhalten nachgewiesen werden.
Zusätzlich kann es dann auch noch zu einem Finanzstrafverfahren durch das Finanzamt und zu einer gerichtlichen Verurteilung wegen Vorenthaltung von Krankenkassenbeiträgen kommen.
Welche Auswirkungen hat es, wenn die Funktionsperiode der organschaftlichen Vertreterinnen und Vertreter ausgelaufen ist?
Dann sind diese organschaftlichen Vertreter für den Verein nicht mehr vertretungsbefugt und der Verein steht quasi „führungslos“ dar. Die „abgelaufenen“ Vertreter dürfen noch eine Generalversammlung für Neuwahlen einberufen. Diese Generalversammlung dient dann ausschließlich der Wahl des neuen Vorstands.
Wenn die Vereinsbehörde draufkommt, dass der Verein führungslos ist, muss sie dem Verein die Auflösung androhen, und dann die Auflösung vornehmen, wenn nicht in der Zwischenzeit neue Vertreter gewählt wurden.
Deshalb sollte unbedingt immer vor Auslaufen der Funktionsperiode eine Generalversammlung einberufen werden, um nie eine Lücke bei der organschaftlichen Vertretung entstehen zu lassen.
Bezüglich des Themas „finanzielle Schieflage“ können sich die Vereinsorgane aber nicht durch Auslaufen der Periode einfach sicher fühlen. Auch ein ehemaliger Vorstand kann natürlich für seine Verfehlungen belangt werden.
Die Haftung besteht weiter für die Malversationen aus ihrer Funktionsperiode. Zusätzlich kann das Finanzamt die nachfolgenden neuen Organe zur Haftung heranziehen, wenn diese binnen 3 Monaten nach Amtsübernahme erkennen, dass Abgaben nicht rechtzeitig abgeführt wurden oder Erklärungen nicht abgegeben wurden. Daher ist es für ein neues Leitungsorgan ratsam, bei Amtsübernahme zu überprüfen, ob in der Vergangenheit alle Steuern und Abgaben rechtzeitig entrichtet wurden.
Gibt es unter Umständen auch Verantwortlichkeiten bei der Bank, Vereinsbehörde oder dritten?
Allen Beteiligten, die von der finanziellen Schieflage des Vereins gewusst und daran mitgewirkt haben bzw. Gegenmaßnahmen unterlassen haben, kann ein entsprechender Vorwurf gemacht werden.
Müssen auch die Rechnungsprüfer mit Konsequenzen bzw. Strafen rechnen?
Mit Strafen ist im Regelfall nicht zu rechnen. Rechnungsprüfer haften nicht, wenn sie ihre Arbeit ordnungsgemäß durchgeführt haben. Sind Rechnungsprüfer unentgeltlich tätig, haften sie nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit. Bei Fahrlässigkeit gibt es Haftungshöchstgrenzen, die sich an der Größe des Vereins orientieren. Bei kleinen Vereinen ist für die Rechnungsprüfer die Haftungshöchstgrenze EUR 2 Millionen. Bei Vorsatz haften die Rechnungsprüfer unbegrenzt. Es empfiehlt sich daher für Rechnungsprüfer, ihre Tätigkeit gewissenhaft und sorgfältig auszuüben und sich umfangreicher Checklisten zu bedienen.
Wohin kann man sich im Fall der Fälle wenden?
Am besten rechtzeitig an einen Steuerberater/Rechtsanwalt. Wenn man als Vereinsmitglied den Verdacht auf finanzielle Schieflagen hat, sollte man die Vereinsorgane ansprechen. Ergibt sich der Verdacht, dass die Vereinsorgane schädigend handeln, sollte man ebenfalls einen Rechtsanwalt (oder in Notfällen sogar die Polizei) aufsuchen.
Haben Sie weitere Fragen zum Thema?
Schreiben Sie uns per Mail an service(at)freiwilligencenter.at