Das war die Fachenquete "Haftung im Vereinswesen"

Über 700 Funktionär:innen als Vertreter:innen von rund 600 Vereinen aus Niederösterreich, darunter viele Repräsentant:innen von Landesverbänden und Dachorganisationen, besuchten die Fachenquete bei ihrer Tour durch Niederösterreich.

Mit der diesjährigen Ausrichtung der Fachenquete hat Service Freiwillige den Nerv der Vereinsfunktionär:innen getroffen: Die Sorge um das Privatvermögen, die Frage nach Haftungen dem eigenen Verein gegenüber und die Achtsamkeit für einen sorgsamen Umgang mit dem Vereinsbudget haben hunderte Funktionär:innen überzeugt, sich für die kostenlosen Termine anzumelden. Zum Vortrag unter dem Titel „Haftung im Vereinswesen“ haben sich so bei den Terminen im Seminar- und Ausbildungszentrum der Kultur.Region.Niederösterreich in Atzenbrugg, im Schloss Bad Fischau, im Gasthaus Hirsch in Groß Gerungs, im Stift Seitenstetten, im Restaurant Roter Hahn in St. Pölten sowie im Schloss Wolkersdorf interessierte Vereinsvertreter:innen eingefunden und den Ausführungen von Thomas Höhne sowie Alexander Koukal von der Kanzlei Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte GmbH & Co KG zugehört.

Thomas Höhne stellte in Atzenbrugg Fragen, die für Vereine wesentlich sind, und lieferte wertvolle Antworten. „Wenn der Verein einen Steuerberater beschäftigt, ersetzt dieser die Rechnungsprüfer?“, wollte Höhne vom Publikum wissen und beantwortete seine Frage: „Keinesfalls, der Steuerberater arbeitet im Sinne des Vorstandes, die Rechnungsprüfer im Sinne der Vereinsmitglieder.“ Er führte zudem aus, dass bei Veranstaltungen der/die Veranstalter:in auch nicht haftungsfrei sei, wenn etwa ein übergeordneter Verband einen Veranstaltungsort „freigegeben“ oder „kommissioniert“ hat: So wurde etwa ein Sportverein, der Fußballspiele veranstaltete, haftbar, weil er beim Aufstellen von Werbetafeln den erforderlichen Mindestabstand zum Spielfeldrand nicht eingehalten hatte.

In Bad Fischau-Brunn führte Alexander Koukal unter anderem aus, dass die Qualifikation der Vereinsorgane im Einklang mit der Funktion und der Größe des Vereins stehen soll. „An Finanzverantwortliche und Rechnungsprüfer werden beispielsweise bei einem großen Autofahrerclub mit sechs- oder siebenstelligen Mitgliederzahlen andere Anforderungen gestellt und erwartet als bei einem kleinen Sport- oder Fussballverein.“ Im Anlassfall bemesse sich der Haftungsmaßstab nach Sorgfalt/Fähigkeiten/Kenntnissen, die von einem Organ im betreffenden Geschäftszweig beziehungsweise nach der Größe des Vereins üblicherweise erwartet werden können.

Thomas Höhne behandelte in Groß Gerungs unter anderem das Thema „Rücktritt als Rettungsring, wenn Ungemach droht“. Seine Botschaften: Es gibt keinen rückwirkenden Rücktritt. Der Rücktritt ist sofort gültig, auch wenn die Statuten anderes sagen. „Die Haftung nach dem Rücktritt bleibt für Handlungen und Unterlassungen während Amtszeit erhalten.“ Und: Ein Rücktritt „zur Unzeit“ macht erst recht haftbar. Den Begriff Unzeit erläuterte Höhne anhand eines Beispiels: Ein Verein ist in Räumlichkeiten eingemietet, am 31. 12. endet der Mietvertrag. Der Obmann führt die Verhandlungen mit dem Vermieter. Kurz vor Abschluss der Verhandlungen und Unterzeichnung des Mietvertrages tritt der Obmann zurück. Die Verhandlungen mit einem anderen Mitglied des Vorstandes scheitern und der Verein muss andere, teurere Räumlichkeiten anmieten. Für den daraus entstandenen Schaden – die Mehrkosten bei der Miete - kann der zurückgetretene Obmann haftbar gemacht werden, weil es zumutbar gewesen wäre, die Verhandlungen zum Abschluss zu bringen und erst dann zurückzutreten.

In St. Pölten sprach Maximilian Kralik darüber, wann Organwalter dem Verein gegenüber haften. Als Beispiele für „ersatzträchtige Handlungen“ nannte er unter anderem: „Wenn Organwalter schuldhaft Vereinsvermögen zweckwidrig verwenden oder Vereinsvorhaben ohne ausreichende finanzielle Sicherung in Angriff nehmen, können diese dem Verein gegenüber schadenersatzpflichtig werden.“ Diese Ersatzpflicht tritt zwar nicht ein, wenn die Handlung auf einem gesetzmäßigen und ordnungsgemäßen Beschluss eines statutengemäß zuständigen Vereinsorgans, etwa der Mitgliederversammlung, beruht. „Hat der Organwalter dieses Vereinsorgan aber irregeführt, entfällt die Ersatzpflicht jedoch nicht“, bekräftigt Kralik und ergänzt: „Vereinsmitglieder sind in ihrer Eigenschaft als Teilnehmer der Mitgliederversammlung keine Organwalter. Das bedeutet, dass der Verein für die Beschlüsse seiner Mitgliederversammlung haftet, nicht aber die einzelnen Teilnehmer dieser Versammlung.“

In Wolkersdorf behandelte Alexander Koukal das Thema Haftungsausschlüsse bei Vereinsveranstaltungen: Ein Schild mit der Aufschrift „Betreten auf eigene Gefahr“ ist zwar sinnvoll, eine Haftung des Vereins kann damit aber nicht ausgeschlossen werden. Diese Risikohinweise reichen vor allem dann nicht, wenn der Verein die Verkehrssicherungspflichten missachtet oder Organisationsmängel vorliegen. Auf die Frage, ob sich der Verein mit einer Unterschrift, dass die Teilnahme auf eigene Gefahr erfolgt, absichern kann, antwortete Koukal: „Haftungsausschlüsse bei grober Fahrlässigkeit sind generell umstritten!“ Ein Organisationsmangel liegt zum Beispiel dann vor, wenn ein Schwimmverein sein Vereinsangebot ohne schwimmkundige Aufsichtsperson betreibt.  

Fehler in der Vereinsarbeit, aus denen heraus eine Haftungsfrage werden kann, können immer passieren. Wichtig ist einerseits die sorgsame Arbeit aller Vereinsfunktionär:innen und andererseits das Wissen, dass bei leichter Fahrlässigkeit für ehrenamtliche Leitungsorgane (=unentgeltliche Tätigkeit) keine Haftung besteht. Anders bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit.

Und es gilt natürlich auch die Eigenverantwortung von Teilnehmer:innen einer Veranstaltung. Bei einem vom Verein veranstalteten Wandertag ist es sicherlich notwendig die Teilnehmer:innen über Streckenverlauf und -profil, Dauer der Wanderung und notwendige Ausrüstung zu informieren ebenso wie über die Verpflegung an der Strecke, den Hinweis die gesicherten Wanderwege nicht zu verlassen und eventuell auch auf Altersbeschränkungen aufmerksam zu machen (z.B. geeignet für Familien mit Kindern ab 8 Jahren). Gegebenenfalls kann und muss der Veranstalter auch potentielle Teilnehmer:innen (z.B. mit Kinderwagen oder Flip-Flops) von der Veranstaltung ausschließen. Auch ist es weder für den Veranstalter noch die Teilnehmer:innen zumutbar z.B. Gesundheitszeugnisse o.ä. zu kontrollieren oder deren Vorlage einzufordern. Wer die Rahmenbedingungen der Wanderung kennt muss selber einschätzen können, ob er gesundheitlich in der Lage ist, diese auch zu bewältigen. Und nein, der Veranstalter haftet nicht für jede Wurzel oder jeden Geröllstein am Wanderweg, welcher ein Risiko für die Wanderer:innen darstellen könnte. War kurz vor dem geplanten Wandertag allerdings ein schweres Unwetter ist es sorgsames Verhalten des Veranstalters den gesamten Weg oder zumindest besonders exponierte Stellen in Augenschein zu nehmen, ob eine gefahrlose Wanderung möglich ist, ansonsten Verkehrssicherungsmaßnahmen durchzuführen, die Wegstrecke abzuändern oder – im schlechtesten Fall – die Veranstaltung abzusagen.