Freiwilligenarbeit ist der soziale Kitt der Gesellschaft – darüber waren sich die Diskutanten einig. Martin Lammerhuber, Geschäftsführer der Kultur.Region.Niederösterreich freute sich viele Gäste im Seminar- und Ausbildungszentrum Atzenbrugg zu begrüßen. „Nicht nur in Niederösterreich baut das gesellschaftliche Leben auf dem Ehrenamt auf. Die Blaulichtorganisationen, die Nachbarschaftshilfe und natürlich die Vereine sind Säulen der Gesellschaft“, eröffnete Helga Steinacher das Gespräch. „Aber wir dürfen auch die informellen Freiwilligen nicht vergessen, die zum Beispiel im sozialen Bereich aktiv sind.“ „Die Gesellschaft würde sich ohne das Freiwilligenwesen auflösen“, meinte Susanne Haidegger. Für Armin Haiderer ist eine Welt ohne Ehrenamt auch „aus Sicht der Kirche unvorstellbar.“
Aber wie sieht das Freiwilligenwesen der Zukunft aus? Sind traditionelle Vereinsstrukturen immer noch systemimmanent, oder wird es Zeit, klassische Gefüge neu zu denken?
„Wir müssen einen Kompromiss zwischen der klassischen Organisation des Ehrenamts auf der einen Seite und zu erneuerten Strukturen auf der anderen Seite finden“, so Armin Haiderer. Auch Susanne Haidegger beobachtet in ihrem Engagement in der Gemeindebücherei, „dass die Bürokratie für viele eine Hürde ist, die abschreckt.“ Helga Steinacher, Leiterin der Akademie der Kultur.Region.Niederösterreich und damit auch für die Ausbildungsreihe Niederösterreichische Freiwilligenkoordinatorin/Niederösterreichischer Freiwilligenkoordinator leitet, brachte es auf den Punkt: „Gelebte Praxis muss ,entlebt` werden.“ Wenn man einen Verein anmeldet, bekäme man schon alte Strukturen auf den Formularen aufgedrängt, dabei brauche es neue Perspektiven.
Aber wie motiviert man Menschen dazu, sich freiwillig zu engagieren? Entscheidend seien, nach Ansicht der Diskutantinnen und Diskutanten, nicht nur die Selbstverwirklichung als Motivation, sondern auch die Wertschätzung von außen. „Wir müssen lernen, den Menschen nicht nur zum Beginn und zum Ende Wertschätzung zu zeigen, sondern laufend“, meinte Armin Haiderer, und Helga Steinacher sah hier auch strukturellen Handlungsbedarf.
Wie denkt die Jugend in den Regionen über Freiwilligendienst und die Notwendigkeit von Vereinen? Welchen Stellenwert hat das Engagement in organisierten Gruppen in Zeiten von digitalen Lebenswelten und künstlicher Intelligenz? Hier sieht Susanne Haidegger die Notwendigkeit, die Strukturen an neue Generationen anzupassen. „Viele in der nächsten Generation werden sich eher temporär engagieren, nicht wie meine Generation ein Leben lang.“ Der Blick über den Tellerrand könne hier für die Zukunft Perspektiven schaffen, war Armin Haiderer sich sicher.
Trotz der offensichtlichen Herausforderungen, denen sich die Generation Z gegenübersehen wird, sahen die Beteiligten durchaus positiv in die Zukunft und Helga Steinacher strich die Bedeutung einer gelebten Anerkennungskultur heraus: „Das muss über das Jahr gepflegt werden, das darf nicht nur punktuell einmal vor Weihnachten sein.“ Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, man sich im Ehrenamt wohlfühlen kann, dann würden Menschen sich auch engagieren, war Susanne Haidegger sich sicher und Armin Haiderer resümierte: „Ehrenamt ist Gegenwart und Zukunft“.
Die Kamingespräche sind eine Veranstaltungsreihe der Kultur.Region.Niederösterreich in Zusammenarbeit mit dem ORF Niederösterreich. Die Kamingespräche können Sie HIER auch nachhören.