Ein chinesisches Sprichwort besagt: „Wenn du eine Stunde lang glücklich sein willst, mach ein Nickerchen. Wenn du einen Tag lang glücklich sein willst, geh angeln. Wenn du ein Jahr lang glücklich sein willst, erbe ein Vermögen. Wenn du ein Leben lang glücklich sein willst, dann hilf jemandem.“ Seit Jahrhunderten haben die größten Denker das Gleiche gesagt: Glück findet man, indem man anderen hilft.
Die Gründe, warum einige Menschen freiwillig aktiv sind, während andere es nicht sind, können vielfältig sein und hängen von individuellen Motivationen, Erfahrungen und Lebensumständen ab. Dabei ist es wichtig zu beachten, dass diese Faktoren nicht isoliert voneinander betrachtet werden sollten. Oftmals beeinflussen mehrere dieser Faktoren gemeinsam die Entscheidung, sich freiwillig zu engagieren oder nicht.
- Persönliche Überzeugungen und Werte: Freiwilligenarbeit ist oft mit persönlichen Überzeugungen und Werten verbunden. Menschen, die bestimmte Werte schätzen, wie soziale Gerechtigkeit oder Gemeinschaftsengagement, neigen eher dazu, sich freiwillig zu engagieren.
- Verfügbarkeit von Zeit: Manche Menschen haben aufgrund ihres Lebensstils, ihrer beruflichen oder anderer Verpflichtungen möglicherweise weniger Zeit zur Verfügung. Zeitliche Beschränkungen können das Engagement in freiwilliger Arbeit beeinflussen.
- Persönliche Erfahrungen: Menschen, die positive Erfahrungen mit freiwilliger Arbeit gemacht haben, sind wahrscheinlich eher bereit, sich erneut zu engagieren. Negative Erfahrungen oder mangelnde Kenntnis über mögliche positive Auswirkungen könnten hingegen das Interesse verringern.
- Soziale Einflüsse: Das soziale Umfeld kann eine wichtige Rolle spielen. Wenn Menschen in einem Umfeld aufwachsen oder arbeiten, in dem Freiwilligenarbeit geschätzt wird, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass sie sich engagieren. Manche Menschen engagieren sich freiwillig, weil es in ihrer sozialen Umgebung als normal oder positiv betrachtet wird. Der soziale Druck und das Gefühl der Gemeinschaft können dazu beitragen, dass Menschen sich eher für freiwillige Tätigkeiten entscheiden.
- Motivation und Interessen: Menschen haben unterschiedliche Interessen und Motivationen. Einige finden Erfüllung und Sinn in der Hilfe für andere, während andere möglicherweise andere Wege suchen, um einen Beitrag zu leisten.
- Mangel an Bewusstsein oder Informationen: Manche Menschen sind sich möglicherweise nicht bewusst über die Bedürfnisse ihrer Gemeinschaft oder die verschiedenen Möglichkeiten, sich freiwillig zu engagieren. Informationen und Bewusstsein können daher eine wesentliche Rolle spielen.
- Gesundheitliche oder persönliche Gründe: Manchmal könnten gesundheitliche oder persönliche Umstände die Fähigkeit einer Person beeinträchtigen, sich freiwillig zu engagieren.
- Motivationsfaktoren: Menschen werden auch von verschiedenen Motivationsfaktoren angetrieben. Einige mögen intrinsisch motiviert sein, während andere externe Anreize benötigen, um sich zu engagieren.
- Persönliche Fähigkeiten und Interessen: Freiwillige Arbeit ermöglicht es Menschen oft, ihre Fähigkeiten und Interessen zu nutzen oder zu entwickeln. Personen, die eine Möglichkeit sehen, ihre Talente einzusetzen oder ihre Interessen zu verfolgen, neigen dazu, sich eher ehrenamtlich zu engagieren.
- Wirtschaftliche Faktoren: In einigen Fällen können wirtschaftliche Faktoren eine Rolle spielen. Menschen, die finanziell stabil sind, haben meist mehr Freiheit, Zeit und Ressourcen für freiwillige Arbeit aufzubringen, während andere mehr auf ihre beruflichen Verpflichtungen fokussiert sind.
- Bewusstseinsbildung und Bildung: Personen, die über die Bedeutung von Freiwilligenarbeit informiert sind und die positiven Auswirkungen verstehen, neigen eher dazu, sich zu engagieren. Bildung und Bewusstseinsbildung spielen dabei eine entscheidende Rolle.
Soweit einige Faktoren aus Soziologie und Meinungsforschung, Sozialwissenschaften und Glücksforschung und anderen wissenschaftlichen Disziplinen, welche als ausschlaggebend für bzw. gegen freiwilliges Engagement definiert wurden. Aber halten diese einer Überprüfung der Realität stand?
Valides Datenmaterial zum Freiwilligenwesen in Österreich ist spärlich. Am besten eignet sich ein Blick in die Freiwilligenberichte des Sozialministeriums aus den Jahren 2009, 2015 und 2019 (Daten: IFES) sowie in die Ergebnisse der Erhebung zur Freiwilligentätigkeit - Freiwilliges Engagement in Österreich aus dem Jahr 2022 (Daten: Statistik Österreich).
Insgesamt ist die Beteiligungsquote an der Freiwilligenarbeit in den Jahren 2006 bis 2022 von 44,0% auf 49,4% leicht angestiegen, wobei eine unterschiedliche Entwicklung bei der formellen und informellen Freiwilligenarbeit zu beobachten ist: während in der formellen Freiwilligenarbeit ein Rückgang von 28,0% auf 25,8% zu verzeichnen war, ist bei der informellen ein deutlicher Anstieg von 27,0% im Jahr 2006 auf 36,7% im Jahr 2022 festzustellen.
Für 2016 wird ein Gleichstand der Beteiligungsquote von Männern und Frauen – jeweils 46% - ausgewiesen, bis 2022 kann ein deutlicher Zuwachs der Beteiligungsquote bei Männern – 52,4% - festgestellt werden, während die Beteiligungsquote der Frauen mit 46,5% konstant bleibt.
In den jeweiligen Beobachtungszeiträumen bzw. Erhebungszeitpunkten haben sich die Beteiligungsquoten der einzelnen Altersgruppen zwar um einige Prozentpunkte nach oben oder unten verändert, gleichbleibend ist folgende Tendenz: der Anteil der Beteiligten je Gruppe steigt mit dem Alter an und sinkt ab der Gruppe der 60- bis 69-jährigen deutlich. Aber noch immer rd. ¼ der Altersgruppe von Personen mit 80 und mehr Jahren ist in der Freiwilligenarbeit aktiv.
In der Freiwilligenarbeit engagierte Personen sind gut ausgebildet, verfügen demnach über ein überdurchschnittliches Einkommen und sind erwerbstätig. Während 66,0% der freiwillig Engagierten auf einen Universitäts- oder Hochschulabschluss verweisen können, sind nur 31,5% jener Personen, die max. einen Pflichtschulabschluss vorweisen können, in der Freiwilligenarbeit tätig. Mit einem Anteil von 54,4% weisen die Erwerbstätigen die höchste Beteiligungsquote auf, mit 38,1% haben die Arbeitssuchenden bzw. Arbeitslosen die geringste Beteiligungsquote.
Freiwilliges Engagement versus Zeit für familiäre Aufgaben spiegelt sich in den Daten nicht wider, sondern im Gegenteil: die Beteiligungsquote steigt mit der Haushaltsgröße. 45,4% der Einpersonenhaushalte beteiligen sich an der Freiwilligenarbeit, während Personen aus Haushalten mit 4 oder mehr Personen zu 51,9% engagiert sind, wobei die Anzahl der Kinder keinen ausschlaggebenden Faktor darstellt.
Soziales Umfeld und die Nähe zu Personen, die Freiwilligenarbeit brauchen, sind ein ausschlaggebender Faktor: liegt die Beteiligungsquote in Gemeinden unter 2.500 Einwohnern bei 53,3%, sinkt diese in Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern auf 44,0%, die Bundeshauptstadt Wien ist mit 41,6% Schlusslicht dieser Statistik.
Bei den Gründen für freiwilliges Engagement kristallisieren sich in allen 4 Studien drei Motive mit jeweils rd. 90% Zustimmung als die wesentlichsten heraus:
- Ich habe Freude an der Tätigkeit, es macht mir Spaß.
- Ich möchte etwas Nützliches zum Gemeinwohl beitragen.
- Ich möchte damit anderen helfen.
Das Engagement für eine wichtige Sache und das Einbringen der eigenen Qualifikationen ist für jeweils rd. 75% der Personen Motiv für die Freiwilligenarbeit.
Während gesellschaftliche Anerkennung und die soziale Komponente (Freunde finden, neue Menschen kennenlernen) noch für rd. 50% eine Motivation für freiwilliges Engagement darstellt, hat Freiwilligenarbeit als Sprungbrett für eine berufliche Karriere bzw. die Einschätzung, dass die Freiwilligenarbeit im Beruf weiterhilft, keine Bedeutung – nur rd. 10% sehen Freiwilligenarbeit als Chance einen Arbeitsplatz zu finden bzw. für das Berufsleben.
Als häufigster Grund, warum keine Freiwilligenarbeit geleistet wird, geben Personen an, weil sie durch Aufgaben in der Familie ausgelastet sind (67,3%). Dem widerspricht die bereits angeführte Tatsache, dass das freiwillige Engagement mit zunehmender Haushaltsgröße steigt und nicht sinkt. Wesentlicher Ansatzpunkt für die Suche nach neuen Freiwilligen muss die Tatsache sein, dass 66,7% der Personen angeben, niemals gefragt oder gebeten wurden, freiwillig tätig zu werden. Mehr als 50% geben an bzw. zu, nie über ein freiwilliges Engagement nachgedacht zu haben.
Mehr als 3,5 Millionen Menschen sind in Österreich in Vereinen, Organisationen oder der Nachbarschaftshilfe tätig. Speziell im Sozial- und Gesundheitsbereich wären viele Angebote ohne die Hilfe von Freiwilligen nicht in so hoher Qualität möglich, wie dies aktuell der Fall ist. Kochen für Jugendnotschlafstellen, sich gegen Einsamkeit im Alter einsetzen oder Kinder beim Lernen begleiten – je mehr Menschen sich freiwillig engagieren, umso mehr erhalten diejenigen Mitglieder unserer Gesellschaft Unterstützung, die dieser am notwendigsten bedürfen. Trotzdem sollte man sich stets vor Augen halten, dass freiwilliges Engagement in keinem Fall sozialstaatliche Aufgaben und Verantwortungen ersetzen kann oder soll. Auch wenn die Motivation zur Freiwilligenarbeit gestärkt und gehoben werden kann, muss freiwillig immer freiwillig bleiben.