Vereine neu denken

Nach wie vor werden vielerorts gemeinnützige Vereine gegründet, um ein gemeinsames Interesse mehrerer Gleichgesinnter oder ein leidenschaftliches Anliegen in eine juristisch anerkannte Struktur zu transferieren. Doch auch Vereine unterliegen einem Wandel. So wird es zunehmend schwieriger, Personen für einzelne Funktionen und als Verantwortungsträger und-trägerinnen zu gewinnen. 

Werte, an denen sich das soziale Handeln ausrichtet und innere Einstellungen zur Freiwilligenarbeit verändern sich zunehmend. Nicht ausschließlich der selbstlos und uneigennützig Dienende gilt als zentraler Wertemaßstab, geht es doch vielen Neuen im Freiwilligenwesen auch um Selbstverwirklichung, Selbstermächtigung oder schlicht um temporäres Engagement, das aktuell mit der eigenen Lebenssituation vereinbar ist. 

Die gängigen Funktionsbezeichnungen vermitteln bisweilen das Bild einer starren reglementierten Struktur und weniger als Raumgeber für Innovation und Entwicklung. So mag mancher Verein mitunter mehr exklusiv als inklusiv nach außen wirken. Die beteiligten Personen kennen einander schon lange und sämtliche Abläufe sind bestens eingespielt. Neue Impulse werden dann eher als Störung erlebt und die Erwartung an neue Freiwillige erschöpft sich darin, ja nichts zu ändern, sondern „das Bewährte“ aufrecht zu erhalten. 

Vielerorts bemüht man sich in den Vereinen um jüngere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das gelingt mal besser, mal schlechter. Die Klage, die jüngere Generation würde sich nicht für Freiwilligenarbeit interessieren, ist immer wieder zu hören, muss aber relativiert werden, angesichts des großen Engagements von Jugendlichen wie beispielsweise beim Thema Nachhaltigkeit oder Klimawandel. Auch werden im Bereich künstlerisch-kultureller und kreativer Interessen, immer wieder Vereine von jungen Freiwilligen gegründet oder geführt. 

Aktive Teilhabe, im Sinne von Mitgestalten, Selbstverwirklichung, eine kollaborative Haltung, die unterschiedliche Formen der Zusammenarbeit ermöglicht und Verantwortungen kooperativ aufteilt, sind u. a. erhebliche Parameter, um generell neue Freiwillige zu gewinnen. 

All dies gilt auch für die Generation der sogenannten „Baby Boomer“ der Geburtenjahrgänge 1955 bis 1969[1]. Vor allem ab der Geburtenjahrgänge 1960 ist diese Generation in einer Zeit des gesellschaftlichen Auf- und Umbruchs aufgewachsen, mit freierem Bildungszugang, steigendem Wohlstand und Wandel von Mentalitäten und Lebensstilen. Die „Boomer“ haben einen höheren Bildungsabschluss als die Generation vor ihnen und waren noch in der Lage das analoge Wissen mit dem Digitalen zu verknüpften und beide „Welten“ für sich nutzbar zu machen. 

Im Zuge des demografischen Wandels, jede 3. Person ist 2030 älter als 60 Jahre[2], ist gerade diese Generation höchst interessant für das Freiwilligenwesen; denn sie kennen und respektieren das bürgerliche Engagement und verstehen deren Wert für die Gesellschaft. Sie sind aber wie die jüngere Generation daran interessiert, selbst zu gestalten, sich weiterzuentwickeln und dann Verantwortung zu übernehmen, wenn es sich mit ihrem eigenen Lebensstil und Lebensziel vereinbaren lässt. 

Auch wenn mitunter der höhere Altersdurchschnitt in Vereinen beklagt werden mag, verändern sich zunehmend bestehende Altersbilder, denn jemand der 60 Jahre und älter ist, ist bedeutend vitaler, mobiler, gebildeter und gesünder als die Seniorengeneration davor. 

Ein wesentliches Thema für Vereine stellt ebenso die Etablierung einer Anerkennungskultur dar. die während des ganzen Jahres zum Ausdruck kommt und sowohl langjährig Aktive beflügelt, wie auch neue Freiwillige motiviert, das Engagement aufrecht zu erhalten.

Es gibt also einige Perspektiven, die „Vereine neu denken“ als sinnvoll erscheinen lassen:

  • Wertewandel von Selbstlosigkeit zur Selbstverwirklichung
  • Vereinbarkeit mit persönlichem Lebensstil
  • Zeitgemäße Funktionsbezeichnungen
  • Verantwortung tragen in Verbindung mit Mitgestaltung 
  • Inklusion anstelle von Exklusion
  • Langfristige Anerkennungskultur 

Zweifelsohne tragen gemeinnützige Vereine wesentlich zu einem sozialen und friedvollen Miteinander bei. In zahlreichen Bereichen, wie Bewegung und Sport, Kultur, Musik, Pflege und Gesundheitsdienste, Bildung, Kinder- und Jugendarbeit, Flüchtlingshilfe, Klima, Natur und Umweltschutz, Tierschutz, Nachbarschaftshilfe, soziale Betreuung u. v. m. sind Vereine und ihre engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein wesentlicher Faktor für Unterstützung, Förderung, Teilhabe, Begegnung, Mitmenschlichkeit und Hilfe. Sie gelten zurecht als wesentlicher „sozialer Kitt“ unserer Gesellschaft.


[1] In: Die Baby-Boomer werden älter. Zukunftsperspektiven einer starken Generation. Hrsg. Amt der         OÖ-Landesregierung, OÖ-Zukunftsakademie. 2019

[2] In: Dr.in Julia Müllegger, Altern, Lernen und Bildung 2030. Perspektiven und Bedarf. Hrsg. BM für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz. 2021